Regierungsbildung in Nordrhein-Westfalen

Nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen konnte man in den Medien den Machtpoker um die neue Regierung beobachten. CDU und SPD haben die gleiche Zahl an Abgeordneten. Hannelore Kraft wagt für die SPD die Kandidatur, während Jürgen Rüttgers sich bereits zurückgezogen hat.

Rot-Grün fehlt nur eine einzige Stimme für eine Mehrheit, sowohl bei der Personenwahl jetzt, als auch bei jeder folgenden Entscheidung. Dass es keinen Koalitionsvertrag mit der LINKEN. geben konnte, zeigten die Verhandlungspositionen dieser Partei, weil man sich dort auf Geschichtsrevisionismus und Behauptungen beschränkte, waren ernsthafte Ergebnisse nicht möglich.

Wenn man glaubt, nur weil die LINKE ankündigte die SPD-Kandidatin mitwählen zu wollen, sei sie zu einer normalen Partei geworden, so denke ich, ist das naiv im Hinblick auf die Bundestagsdelegation des Landesverbandes der LINKEN NRW. Soviel ist klar: Es müsste in NRW eher weiter beobachtet werden, als der Stasi auf den Ministersessel zu helfen. Und im Hinblick auf reaktionäre Propaganda ist es dringend angeraten weiter den Verfassungsschutz arbeiten zu lassen. Es kann nicht sein, dass die letzten Reaktionären für ihre Agitation auch noch aus der Staatskasse bezahlt werden, dafür, dass sie weiter indoktrinieren dürfen. Demnach gibt es nur zwei mögliche Lösungen: Neuwahlen oder Minderheitsregierung. SPD und Grüne stehen im Moment geschlossen da.

Die FDP entzieht sich der Verantwortung, wo doch die Linkspartei NRW eine Gefahr ist. Sollte es zu Neuwahlen kommen, steht für die CDU anstelle des bereits abgetretenen Jürgen Rüttgers offenbar der ehemalige Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales Karl-Josef Laumann in den Startlöchern In den vergangenen Wochen buhlte die CDU auch kräftig um die Grünen. Aus Sicht des ohne Mehrheit dastehenden Rüttgers dürften es die Grünen sein, die eine Kooperation vermeiden wollen, auf der anderen Seite hat die Basis der Grünen eine Zusammenarbeit auf dem Parteitag im Vorfeld der Wahl ausgeschlossen. Es gibt also politische Lager, die zumindest im Moment nicht miteinander kooperieren wollen, aber dennoch zumindest in Koalitionsverhandlungen treten, was in der Vergangenheit nicht immer der Fall war. Damit sind die Grünen in NRW zu einem wirklich einflussreichen Machtfaktor geworden.

Ein verlässlicher Partner ist die LINKE. im Moment noch nicht und sie wird dominiert von ideologisch verblendeten Sektierern. Man kann eigentlich auch davon ausgehen, dass sich die Partei dort noch selbst zerlegt. Nur: Die Gefahr, dass man selbst dabei Schaden nimmt, war offenbar für SPD und Grüne zu hoch, als dass man sich auf einen Koalitionsvertrag eingelassen hätte. Man sieht, dass die West-Linke hier viel extremistischer ist, als die Reformer im Osten. Sie müsste ihre Organisationsform ändern, sich vom Zentralismus trennen, die verfassungsfeindliche Agitation einstellen, den Kollektivismus überwinden und die damit verbundene Indoktrination für populistische Forderungen aufgeben. Sie müsste ihre Dogmen aufgeben und ihr Geschichtsbild überprüfen. Im Moment ist die Linksfraktion in NRW ein Agitationstrupp für ihre Bundestagsdelegation. Den Bürgern wird aus rein egoistischen Machtkalkül Sand in die Augen gestreut und ihre Ideologie läuft auf einen totalitären Staat hinaus, wie es die DDR war. Fast der komplette Landesverband besteht nur aus reaktionären Splittergruppen.

Leider zeigt sich die FDP uneinsichtig und verantwortungslos: Auf der einen Seite wird die Linkspartei von ihr scharf attackiert und die SPD für einen Linksschwenk kritisiert, auf der anderen Seite werden die Koalitionsverhandlungen blockiert. Die Linke NRW ist kein Garant für eine stabile Regierung. Wenn die FDP es zulässt, dass eine Regierung auf Stimmen der reaktionären Teile der Linken angewiesen ist, verrät sie ihre eigenen Werte der Freiheit. Es müsste eigentlich die Pflicht der Liberalen sein, den Antidemokraten und Splittern, die im Dutzend in der NRW-Linken sektieren politisch entgegenzutreten. Es müsste nur einen liberalen Abgeordneten geben, der sich seiner Verantwortung bewusst ist bei dieser historisch so wichtigen Entscheidung. Aus reiner Parteitaktik die Regierung zu blockieren, nur um später negative campaigning zu betreiben ist schäbig. Jürgen Rüttgers hat bereits das Handtuch geworfen. Wenn die FDP jetzt Hannelore Kraft als Ministerpräsidentin blockiert, sind Liberale die Steigbügelhalter für die Beton-Stalinisten der Kommunistischen Plattform und anderer Sekten.

Wenn Karl-Josef Laumann von der CDU sagt, die LINKE. hätte bereits bei den Koalitionsverhandlungen indirekt am Tisch gesessen ist das falsch, denn die LINKE. treibt ein verlogenes Spiel. Im Wahlkampf wurde mit extremistischen Parolen Stimmung gemacht, nun nähert sich die Fraktion inhaltlich an SPD-Positionen an, weil man bisher überhaupt keine eigenen Konzepte hat. Damit verrät die Fraktion bereits jetzt die eigene Parteibasis und innerparteilicher Streit ist vorprogrammiert.

SPD und Grüne haben einen Koalitionsvertrag vorgelegt, der Anknüpfungspunkte an alle demokratischen Parteien im Landtag enthält. Gerade in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik, aber auch in der Wirtschaftspolitik gibt es Schnittmengen mit der FDP, die in diesem Landesverband ein anderes Profil hat als die Bundespartei.

Sollte es Neuwahlen geben, ist der Souverän ist das Volk, aber es sollte wachsam sein, denn die NRW-Linke ist näher bei Stalin, Trotzki, Mao und Fidel Castro, als bei Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht oder Hugo Haase. Während erstere vier Schlächter der Menschheit waren, waren die letzteren drei ideologisch verblendete Gutmenschen und geschickte Agitatoren, die ihnen in die Hände gespielt haben.

Verbraucherrechte stärken!

Ebenso wie kleine oder mittlere Unternehmer, ist auch der private Verbraucher im Alltag mit Problemen konfrontiert. Verträge mit Herstellern, Händlern und Dienstleistern gehören zur Normalität. Bei kleinen und großen Einkäufen, beim Fleischer, im Supermarkt, im Internet, am Telefon, erwarten die Menschen gute Ware für gutes Geld. Sie wollen Beratung, faires Geschäftsverhalten und zuverlässige Informationen.

Die Abwickelung von Rechtsgeschäften erfolgt jedoch nicht immer reibungslos. Das kann beim Kauf eines neuen Haushaltsgerät, bei der Kreditaufnahme für den Pkw oder bei der Beauftragung eines Handwerkers oder dem Vertragsabschluss in einem Reisebüro der Fall sein.

Typische Probleme die auftreten können sind: Mängel an der Ware, Produkte, die nicht dem Angebot entsprechen, oder Angebote, die sich als Verkaufstrick entpuppen. Diesen Situationen sind Verbraucherinnen und Verbraucher nicht schutzlos ausgeliefert. Gesetze, Regelungen und Richtlinien gewähren für diese Fälle den erforderlichen Verbraucherschutz. In komplizierten oder strittigen Rechtsfragen empfiehlt es sich stets, fachliche Rechtsauskunft einzuholen.

Sozialdemokratische Politik muss Verbraucherrechte stärken und vor allem Privatpersonen schützen, weil Verbraucher und Kleinunternehmer gegenüber den Herstellern und Vertreibern von Waren und gegenüber Dienstleistungsanbietern strukturell unterlegen sind. Durch mangelnde Fachkenntnis, Information und/oder Erfahrung sind Verbraucher benachteiligt. Dieses Ungleichgewicht muss ausgeglichen werden. Das Treffen bewusster Verbraucherentscheidungen hängt also davon ab, ob Informationen über das Produkt für Verbraucher verfügbar und für diesen transparent sind. Faire Preise, transparente Regeln und sinnvolle Kennzeichnung der Produkte braucht es in allen Handelsbereichen:

Schutz vor „Abzocke“ mit überteuerten Handy-Diensten, klare Kriterien bei langfristigen Anlageangeboten z.B. in der Altersvorsorge oder eine exakte Kennzeichnung von gentechnisch-veränderten Lebensmitteln sind nur einige Beispiele, in denen die Rechte der Verbraucher weiter gestärkt werden müssen. Außerdem sollte eine Ampelkennzeichnung bei Lebensmitteln eingeführt werden.

Verbraucherpolitik ist ein untrennbarer Bestandteil einer modernen Wirtschaftspolitik. Den Verlockungen der Werbung und der Marktmacht der großen Anbieter muss der informierte und selbstbewusste Kunde entgegensetzt werden.

Vorsorgender Verbraucherschutz muss Verbraucherinnen und Verbrauchern umfassende Rechte auf Information und Transparenz einräumen, die Rechte der Verbraucherverbände ausweiten und die Verbraucherpolitik sozial gerecht gestalten. Dabei ist eine Zielgruppenorientierung wichtig, die vor allem einkommensschwache, bildungsferne oder unerfahrene Verbraucherinnen und Verbraucher unterstützt und auf gesonderte Probleme der Migranten Rücksicht nimmt.

Bürgerversicherung statt Kopfpauschale

In diesem Artikel möchte ich darstellen, warum ich mich im Bereich der Gesundheitspolitik für eine Bürgerversicherung in der Krankenversicherung einsetze und eine Kopfpauschale ablehne. Doch was ist genau die Bürgerversicherung? Die Bürgerversicherung ist ein „Vorschlag zur Reform der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Anders als im gegenwärtigen System sollen in die weiterhin einkommensabhängige Beitragspflicht alle Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in der Bundesrepublik Deutschland haben (d.h. auch Arbeitnehmer oberhalb der Versicherungspflichtgrenze, Selbstständige, Beamte, Rentner etc.), und alle Einkommensarten (neben den Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit auch Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und alle Kapitaleinkünfte) einbezogen werden. Die Meinungen gehen darüber auseinander, ob der lohnabhängige Anteil des Beitrags weiterhin zur Hälfte vom Arbeitgeber getragen werden soll.“1

Neben der SPD setzen sich auch die Grünen und die Linkspartei grundsätzlich für dieses Konzept ein. Es gibt jedoch in der Forschung eine Reihe von verschiedenen Ausarbeitungen zu dieser Thematik. Die Bürgerversicherung wäre meines Erachtens sozial ausgewogen, finanzierbar, nachhaltig und kurzfristig umsetzbar.

Dagegen wird von Seiten der CDU und der FDP eine Kopfpauschale vorgeschlagen, die euphemistisch auch als Gesundheitsprämie bezeichnet wird. Die Kopfpauschale ist ein „Vorschlag zur Reform der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung: Anders als im bisherigen System sollen einkommensunabhängige, pauschale Beiträge oder Beitragsbestandteile festgesetzt werden. Je nach Ausgestaltung ist eine beitragsfreie Mitversicherung von Ehepartnern dabei zumeist nicht mehr vorgesehen, für Kinder können reduzierte Sätze gelten. Soziale Härten sollen über das Steuer-Transfer-System abgefedert werden. Der jetzige Arbeitgeberbeitrag soll entfallen und einkommenserhöhend an die Arbeitnehmer ausgezahlt werden.“2

An dem Konzept der Kopfpauschale gibt es eine Reihe von massiven Kritiken, die im Grunde genommen diesen Vorschlag der Konservativen und Liberalen als untragbar dastehen lassen. So müssten beispielsweise alle Kostensteigerungen durch die Versicherten getragen werden, wohingegen die Arbeitgeber davon freigestellt wären. Das ist ohne Zweifel sozial ungerecht. Außerdem wäre durch einen einkommensunabhängigen Beitrag ein Sozialausgleich aus Steuermitteln notwendig, weil die Kopfpauschale ansonsten verfassungswidrig wäre, weil sie gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt. Der DGB hat zur Kopfpauschale eine Broschüre mit weitergehenden Argumenten gegen die Kopfpauschale herausgegeben.3

Ich komme daher zu folgendem Fazit: Die Kopfpauschale, die sogenannte Gesundheitsprämie ist eine unsoziale Forderung der Konservativen und Liberalen, die insbesondere Geringverdiener stärker belastet. Die Bürgerversicherung hingegen ist sozial ausgewogen und nachhaltig. Durch zu erwartende Mehreinnahmen könnte sogar für Geringverdiener der Beitragssatz gesenkt werden und es könnten mehr Leistungen als bisher für alle Versicherten gewährt werden.

  1. Springer Gabler Verlag (Herausgeber), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Bürgerversicherung, online unter: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/75648/buergerversicherung-v7.html
  2. Springer Gabler Verlag (Herausgeber), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Kopfpauschale, online unter: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/74980/kopfpauschale-v10.html
  3. Siehe hierzu: Sonderausgabe – Kopfpauschale, in: SozialpolitikAktuell Nr. 2 vom 22. Februar 2010, online unter: http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Kontrovers/GesundheitsreformGesundheitsfonds/100223_DGB%20hinweise_kopfpauschale_dgb_sozpol_aktuell_2-10.pdf

Wir Sozialdemokraten wollen mehr Demokratie wagen

In der SPD gibt es einen Aufbruchs- und Erneuerungsprozess. Der neu gewählte SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel will mehr Demokratie wagen und lädt die Mitglieder zu neuen Beteiligungsmöglichkeiten ein. Noch vor einigen Wochen äußerte er sich tief besorgt über den Zustand seiner Partei. Eine gewisse Ratlosigkeit sprach aus ihm. Nicht aufgrund von politischen Inhalten, sondern darüber, dass die SPD Volkspartei bleiben muss, damit stabile Mehrheiten links dieser konservativ-neoliberalen Regierung entstehen können.

Er ist glaubhaft, wenn er die SPD strukturell und inhaltlich erneuern will, ist besorgt um seine GenossInnen, und bemüht sich um einen neuen Aufbruch. Auf dem Parteitag in Dresden hat er noch sehr allgemein und zutiefst emotional über seine Eindrücke gesprochen. Jetzt gibt es die ersten konkreten politischen Forderungen und Änderungsvorschläge aus der Partei heraus. In der Zeitung die Welt hieß es am 23.11.2009:

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat sich für Plebiszite auf Bundesebene ausgesprochen. „Ich plädiere für mehr Leistung, Mut und Risikobereitschaft der Politik. Etwa für Volksabstimmungen. Sie sind gut für die moderne Demokratie – und ich jedenfalls habe keine Angst vor dem Volk“, sagte Gabriel WELT ONLINE. Er fügte hinzu: „Wer dem Volk misstraut, zweifelt in Wahrheit an den eigenen Argumenten.“ Er glaube, dass „die Deutschen im besten Sinne der Tradition der Aufklärung nach einer langen Diskussion zu guten Entscheidungen kommen“.1

Volksabstimmungen auf Bundesebene wären in der Tat eine Belebung für die Demokratie. Bisher ist es den Bürgern zwar möglich über Petitionen an den Bundestag ihre Vorstellungen zu richten, jedoch gibt es keine direkte Einflussmöglichkeit auf die Bundespolitik. Plebiszite auf Bundesebene würden den Gedanken der Demokratie erstarken lassen und sie könnten auch der SPD helfen mit den WählerInnen in einen modernen Diskurs über die Probleme der Menschen einzutreten.

Gabriel könnte die Person sein, die den SPD-Vorsitz bis zur Regierungsübernahme weiter hält. Er kommt aus dem früheren marxistischen Flügel der SPD und war ehemals im Bundesvorstand der Falken aktiv. Demnach sollte er sensibel und informiert genug sein, um mit der Linken in den Diskurs zu treten. Gleichzeitig ist er aber auch durch seine politische Erfahrung pragmatisch und durchsetzungsfähig genug um sich irrealen Forderungen zu widersetzen. Heute ist er ein Seeheimer, der für fortschrittliche Positionen steht:

Gabriel forderte dem Bericht zufolge „eine richtige Strukturreform der SPD“, mit der „wir vor allem wieder Meinungsbildung von unten nach oben schaffen (ohne politische Führung abzuschaffen)“. In diesem Zusammenhang stellte er Urabstimmungen „ab und an bei wichtigen Entscheidungen“ in Aussicht. Weitere Vorschläge sollten auf dem Bundesparteitag Mitte November in Dresden vorgestellt werden, der ein „Startschuss“ sein solle.2

Das ist schon eine fundamentale Erneuerung. Gut, einige Vorschläge gehen mir nicht weit genug, aber ich denke nicht, dass man sagen kann, dass dieser politische Ansatz konservativ ist. Als Umweltminister hat er die konsequente Politik von Jürgen Trittin fortgeführt und damit Deutschland zukunftsfähiger gemacht. Gesamt gesehen ist die SPD damit in diesem Politikbereich nach links gewandert, das muss man festhalten, auch wenn immer noch Spielraum besteht. Für mich bleibt zu hoffen, dass er es schafft innerhalb der Partei dafür zu sorgen, dass eine neue Ära eingeleitet wird, die sich von jeglichen Bezügen zu Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen trennt. Beide Begriffe und die damit verbundenen Maßnahmen sind für die Bevölkerung zu Reizworten geworden. Die Fortführung dieser Politik, für die die SPD 2005 abgewählt wurde, kann nicht zu neuen Mehrheiten führen, soviel ist sicher. In der Öffentlichkeit und bei Betroffenen ist der Eindruck entstanden, dass die Partei auf der Stelle tritt, weil die Würdigung der eigenen Regierungspolitik ein Akt der Selbstbeweihräucherung darstellt der zynisch anmutet.

Wenn Sigmar Gabriel die SPD zu alter Stärke zurückbringen will, muss er nur dafür sorgen, dass die Partei sich ein neues Projekt vornimmt und mit der Basis diskutiert. Das hat er erklärt und es findet statt. Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier hat eine neue Vision für unsere Zeit durch seine Vorschläge für mehr Arbeitsplätze. Er will durch gezielte Investitionen Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt schaffen. Das ist erstrebenswert und richtig. Ein weiteres Projekt zur sozialen Absicherung könnte jedoch auch ein sozialdemokratisches Grundeinkommens-Modell sein.

Für ein Linksbündnis hat es bisher noch nicht für Mehrheiten gereicht. Zum Teil gibt es auch noch unüberbrückbare Meinungsunterschiede. Mit einer erneuerten SPD wird auch der Erfolg zurückkehren.

Auch zu den jetzt lange anhaltenden Diskussionen über das häufige Rotieren des Vorsitzenden und zum Abgang von Kurt Beck gibt es Neues zu hören.

Gabriel hob zugleich die Bedeutung des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) hervor und bezeichnete die Umstände von dessen Rücktritt als Parteichef vor gut einem Jahr als „bittere Sache“. Gabriel: „Der Schwielowsee und der Abgang Kurt Becks als Parteivorsitzender gehören nicht zu den Glanzlichtern der Sozialdemokratie. Das war eine bittere Sache. Aber die Behauptung, Franz Müntefering habe um jeden Preis ins Amt kommen wollen, gehört auch ins Reich der Märchen.“3

Letztendlich war Kurt Beck für die SPD der richtige Mann zur richtigen Zeit. Was er als Vorsitzender geleistet hat bemisst sich nicht an der Dauer seiner Amtszeit. Die Öffnung zur Linkspartei war ein richtiger Schritt. Beck war stark genug um sich durchzusetzen gegen einen neoliberal gewordenen rechten Parteiflügel und er hat so einen starken Charakter, dass er sich trotz seiner Demontage selbst zurückgenommen hat, weil er selbst wusste, dass der Gesamterfolg wichtiger ist als das politische Schicksal einer Einzelperson. Für ihn selbst war es sicher bitter. Auf der anderen Seite gab es wohl die Überlegung mit Franz Müntefering in einer schwierigen Phase jemanden aufzustellen, der mit „Klarer Kante“ agiert. Ich denke nicht, dass er selbst es war, der dies unbedingt noch wollte. Vielmehr wird es wohl der Bundesvorstand und die Basis gewesen sein, die in dazu bewegen wollte. Müntefering hat die SPD wieder aus dem Klammergriff der CDU befreit. Leider hat dies aber nicht den gewünschten Wahlerfolg gebracht.

Das politische Signal, das Matthias Platzeck und Kurt Beck in ihrer kurzen Amtszeit gesetzt haben, kann jedoch im Hinblick auf die innerparteilichen Debatten nicht hoch genug eingeschätzt werden. Insofern hat der häufige Wechsel des SPD-Vorsitzes zwar in der Öffentlichkeit für Schlagzeilen gesorgt die unangenehm waren, war aber notwendig für die Neuorientierung der Partei nach der Niederlage bei den Bundestagswahlen im Jahr 2005.

Da sich die SPD gerade so fundamental inhaltlich und organisatorisch erneuert, sollte man mit weiteren konstruktiven Vorschlägen mithelfen. Es ist zu begrüßen, wenn das neue SPD-Präsidium jetzt paritätisch besetzt ist.4 Ich denke aber auch, dass man im SPD-Vorstand das Modell einer quotierten Doppelspitze für den Vorsitz diskutieren sollte. Das wäre eine Erneuerung der Parteistruktur, die fortschrittlich ist. Während die Linkspartei bisher an einer überholten Ost-West-Quotierung festhält und sich damit in einer Vergangenheits-Debatte befindet, könnte die SPD damit öffentlich dokumentieren, dass sie sich in einem vorwärts-gewandtem Erneuerungsprozess befindet.

Auch im Hinblick auf die geringe weibliche Mitgliederzahl (mehr als 2/3 Männer)5 und die Unterrepräsentanz in einigen Parteigremien wäre das sinnvoll. Der SPD-Vorsitz war bisher immer nur männlich besetzt. Ich denke mit einer Doppelspitze könnte die SPD viel wirksamer für das entscheidende Ziel eintreten, das Franz Müntefering für diese Legislaturperiode formuliert hatte: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit von Männern und Frauen. In diesem Bereich hat die CDU in der Großen Koalition geblockt und diese Regierung bisher noch keine konkreten Vorschläge gemacht. Zwar hat die Kanzlerin ihr Kabinett verändert und einen für CDU-Verhältnisse relativ moderaten Mitarbeiterkreis aufgebaut, womit sie die CDU in der Tat verändert hat, auf der anderen Seite scheint sie für eine moderne Umwelt-, Wirtschafts-, Familien- und Sozialpolitik in der eigenen Fraktion keine Mehrheit zu haben.

Ich denke Klaus Wowereit liegt richtig, wenn er sagt, dass die SPD nun wieder die Führung und die Meinungsführerschaft für die drängendsten gesellschaftlichen Fragen wieder übernehmen muss6: Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Organisation von Pflege und Gesundheit, demografischer Wandel, Stadtpolitik, mehr soziale Gerechtigkeit. Hier will die SPD die Zukunft gestalten und an konstruktiven Vorschlägen gibt es keinen Mangel. Ich denke die Bundestagsfraktion muss jetzt konsequente Opposition betreiben und dabei mit direkter Kritik an die Kabinettsmitglieder und die Kanzlerin operieren. Innerhalb der Koalition ist die CDU in einer schwachen Position, denn sie hat außer schwarz-gelb keine andere Koalitionsoption mehr und im Wahlkampf hat die FDP bereits auf geschickte Weise Wähler der Union an sich gebunden. Es gibt also keinen Grund daran zu zweifeln, dass die nächste Regierung wieder von Sozialdemokraten gebildet wird, vielleicht sogar schon vor 2013.

Quellenverzeichnis

  1. Daniel Friedrich Sturm: SPD: Neu-Chef Gabriel singt Loblied auf Ex-Chef Beck, welt online vom 22.11.2009, online unter: http://www.welt.de/politik/deutschland/article5292706/Neu-Chef-Gabriel-singt-Loblied-auf-Ex-Chef-Beck.html
  2. Gabriel sieht seine Partei in katastrophalen Zustand, t-online Nachrichten vom 22.10.2009, online unter: http://nachrichten.t-online.de/spd-in-der-krise-sigmar-gabriel-sieht-partei-in-katastrophalem-zustand-/id_20312418/index
  3. Daniel Friedrich Sturm: Gabriel will ein „Kümmerer“ wie Beck werden, welt online vom 23.11.2009, online unter: http://www.welt.de/die-welt/politik/article5297402/Gabriel-will-ein-Kuemmerer-wie-Beck-werden.html
  4. Kai Doering/Gero Fischer: „Ein gutes Signal“, Elke Ferner im Interview, vorwaerts.de vom 14.11.2009, online unter: http://www.vorwaerts.de/artikel/ein-gutes-signal
  5. SPD Mitgliederbestand, Stichtag 31.10.2009, online unter: http://www.spd.de/de/pdf/mitglieder/091031_Mitgliederbestand.pdf
  6. Kai Doering/Gero Fischer: „SPD muss die Führung übernehmen“, Klaus Wowereit im Interview, vorwaerts.de vom 15.11.2009, online unter: http://www.vorwaerts.de/artikel/spd-muss-die-fuehrung-uebernehmen

Zum bundesweiten Bildungsstreik

Die Streikbewegung der StudentInnen und SchülerInnen agiert nicht nur in eigenen Interesse, sie will für die Gesamtgesellschaft einen Fortschritt erreichen. Mehr als 200.000 junge Menschen beteiligen sich seit längerem an bundesweiten Aktionen.1 Sie sind es, die die Zukunft gestalten wollen und werden, in Deutschland, in der EU und aufgrund der internationalen Mobilität weltweit.

Die Zeit für eine neue studentische Bewegung war eigentlich schon lange überfällig. Es schien fast so, als bräuchten die StudentInnen dafür die Erlaubnis der Professoren. In der Stuttgarter Zeitung war am 13.11.2009 zu lesen:

„Es ist richtig, dass die Studierenden sich zu Wort melden und deutlich machen, dass ihre Studienbedingungen besser werden müssen und mehr für ihre soziale Sicherung getan werden muss“, erklärte die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Margret Wintermantel. „Die Sympathien sind auf Seite der Protestierenden, solange sie vernünftige Formen des Protests wählen und sachlich argumentieren.“2

Was sich aus dem Bildungsstreik mittelfristig entwickelt ist noch nicht klar. Diese neue Bewegung von jungen intellektuellen Leuten hat jedoch erhebliches Potential. Ob sich der Bildungsstreik zu einer neuen Bewegung weiterentwickelt, die auch zu anderen Bereiche der Gesellschaft ausgedehnt werden, bleibt zu hoffen.

Gründe sich für die Verbesserung der Lernbedingungen einzusetzen gibt es viele: Unzumutbare Gebäude-Zustände an Schulen, Raummangel, Lehrkräftemangel, zu große Klassen, überfüllte Hörsäle, zu wenig individuelle Betreuung, prekäre Einkommenssituation von Studenten und Dozenten, Probleme beim Studienort und Fachwechsel, Modularisierung, Erschwerung des Master-Zugangs. Es gibt dutzende weiterer Themen und Vorschläge die die junge Generation durchsetzen will. Konkret heißt es in den Forderungen der StudentenInnen:

„Soziale Öffnung der Hochschulen

den Abbau von Zulassungsbeschränkungen durch den Ausbau von Studienplätzen!
die Abschaffung von Studiengebühren und die gesetzlich verankerte Gebührenfreiheit von Bildung!
die finanzielle Unabhängigkeit der Studierenden – ohne Kredite!
die Abschaffung jeglicher Diskriminierung, auch in ihrer institutionalisierten Form gegenüber ausländischen Studierenden!

Abschaffung von Bachelor/Master in der derzeitigen Form

die Abkehr vom Bachelor als Regelabschluss!
das Ende von Verschulung, Regelstudienzeit und Dauerüberprüfung!
die Möglichkeit individueller Schwerpunktsetzung im Studium!
die tatsächliche Umsetzung der Mobilität zwischen den Hochschulen!
Demokratisierung des Bildungssystems

den Abbau von wirtschaftlichen Zwängen im Bildungsbereich!
die Mitbestimmung aller Beteiligten im Bildungssystem, u.a. durch Viertelparität in den Hochschulgremien!
die Einführung verfasster Studierendenschaften mit politischem Mandat in allen Bundesländern!

Verbesserung der Lehr- und Lernbedingungen

die Umsetzung freier alternativer Bildungskonzepte!
die Beendigung prekärer Beschäftigungsverhältnisse im Bildungsbereich!
die Aufstockung des Lehrpersonals auf ein pädagogisch tragbares Niveau! Dazu sind in den nächsten drei Jahren mindestens 8.000 Professuren, 4.000 Mittelbaustellen und 10.000 Tutor_innenstellen neu zu schaffen!
die Förderung aller Studierenden statt einseitiger Elitenbildung!
die Einheit von Forschung und Lehre statt der Exzellenzinitiative!“3

Auch die SchülerInnen haben ihre eigenen Forderungen aufgestellt:

„Eine Schule für Alle – Weg mit dem mehrgliedrigen Schulsystem
Kostenlose Bildung für Alle
Mehr Lehrer_innen, kleinere Klassen
Beendet den Einfluss der Wirtschaft auf die Schulen!
Gegen Schulzeitverkürzung! Wie dem G8-Abitur!
Schluss mit Repressionen gegen Schüler und Schülerinnen
Für eine Demokratisierung des Bildungssystems!“4

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass das deutsche Bildungssystem reformiert werden muss, vor allem im Bereich der frühkindlichen Bildung, der Schulformen und der Lehrkräfteausstattung an den Schulen und Hochschulen. Meines Erachtens müsste auch das elitäre Gymnasium der Vergangenheit angehören. Vor allem müssen Studiengebühren so schnell wie möglich abgeschafft werden, denn sie verhindern den Zugang zu höherer Bildung und sind daher kontraproduktiv. In Deutschland gibt es zu wenig Studenten und Ausbildungsplätze fehlen.

Ich denke, es ist grundsätzlich nicht falsch, die Hochschulpolitik auch über die EU-Ebene zu koordinieren, auf der anderen Seite muss eine Beteiligung der Schüler und Studenten an allen Entscheidungen gegeben sein und spezifische regionale Interessen berücksichtigt werden. Bildung darf keine Ware sein und das Lernen muss selbstbestimmt und ohne Zwang und Druck erfolgen.

Die Bundesregierung müsste jetzt wesentlich mehr finanzielle Unterstützung für Gebäudesanierung an Schulen, insbesondere aber für mehr Lehrkräfte und Personal an Schulen und Hochschulen leisten. In diesen Bereich sind dringend Investitionen von Nöten, damit deutsche Bildungsinstitutionen im europäischen Vergleich nicht abgehängt werden. Jeder Mensch soll unabhängig vom eigenen Geldbeutel einen freien Zugang zu Bildung haben. Auch Arbeitgeber sollten dies in eigenem Interesse mehr fördern. Es kann nicht falsch sein dazu neue Steuern auf Vermögen oder Finanztransaktionen oder eine Ausbildungsplatzumlage einzuführen. Damit könnte man einerseits den Finanzmarkt und den Arbeitsmarkt positiv regulieren, andererseits die Staatsfinanzen konsolidieren und dabei noch sinnvoll in die Zukunft investieren.

An den Unis und Schulen werden derzeit Hörsäle und Räume besetzt, nicht in erster Linie um zu stören oder gar Schäden anzurichten, sondern um abseits vom Lernalltag die Probleme und auch die grundlegenden Defizite der Gesamtgesellschaft anzugehen. Darum vertreten die OrganisatorInnen des Bildungsstreiks eben auch gerade die Interessen der arbeitenden Bevölkerung und man solidarisiert sich mit den sozialen und finanziellen Interessen der Schwächsten in der Gesellschaft. Es besteht jedoch noch das Defizit dies ausreichend zu vermitteln.

Um sich in die Gesamtgesellschaft zu vernetzen gibt es für die Bewegung, aber auch für alle Anderen verschiedene Möglichkeiten: Sowohl SPD und Jusos, aber auch die Grünen und die Linke und Gewerkschaften beteiligen sich inhaltlich und organisatorisch an den Debatten und sind offen für neue Mitglieder und Sympathisanten.

Wenn sich diese Schüler- und Studentenbewegung in den Parteien und in den Gewerkschaften kanalisieren könnte, wäre das ein Vorteil für ihre Aktionsstärke und gleichzeitig eine Belebung für die Politik. Es kommt darauf an, bei den Forderungen nicht nachzugeben und die Aktionen und die Ergebnisse der Debatten weiter gut zu dokumentieren und in die Parteien zu tragen. Nur so kann man auch langfristig politisch agieren. Die Nutzung neuer Medien für politische Kampagnen ist dabei heute eine Selbstverständlichkeit, wie die Webseite www.bildungsstreik.net und ihre zahlreichen Verlinkungen bei anderen Organisationen zeigen.

Aus dem Bildungsstreik heraus kann sich aber auch eine Bewegung entwickeln, die dafür sorgen wird, dass die Mehrheiten in Deutschland wieder nach links verschoben werden. In den nächsten vier Oppositionsjahren sollte die SPD diese Forderungen in ihr Programm integrieren, um gemeinsam mit den jungen Menschen 2013 diese Regierung abzulösen.

Quellenverzeichnis

  1. Vgl. http://www.bildungsstreik.net/demozahlen/
  2. Studentenproteste: Hochschulrektoren wollen Dialog, Stuttgarter Zeitung online vom 13.11.2009, online unter: http://stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2276475_0_5546_-studentenproteste-hochschulrektoren-wollen-dialog.html
  3. Forderungen der Studierenden zum Bildungsstreik 2009, www.bildungsstreik.net, online unter: http://www.bildungsstreik.net/aufruf/forderungen-der-studierenden/
  4. Forderungen der SchülerInnen zum Bildungsstreik 2009, www.bildungsstreik.net, online unter: http://www.bildungsstreik.net/aufruf/forderungen-der-schuler_innen/

Lafontaine handelt antiautoritär und basisdemokratisch

Ich habe ebenso wie Stefan Liebich Oskar Lafontaine vorgeworfen, er würde einen autoritären Führungsstil in der Linkspartei durchsetzen. Dieser Eindruck von mir beruhte auf einer falschen Wahrnehmung. Offenbar habe ich unter dem Eindruck der extremen Unterwanderung durch SAV-Kader und Marx21-Kader den Eindruck gewonnen, dass der Parteivorsitzende der Linkspartei diese Tendenzen unterstützt.

Mir kam der Gedanke bei der Betrachtung eines Aufsatzes von Andre Brie im Spiegel mit dem Titel „Der Lafontainismus“. Hier stellt der von mir sehr geschätzte Andre Brie einige Fragen, die er aufwirft, damit die Basis der Linkspartei über den Führungsstil von Oskar Lafontaine diskutiert. Er fragt:
„Wo ist der Reformer und Realist Lafontaine geblieben? Warum tritt er nicht mehr für Dinge ein, die er noch vor gar nicht so langem für richtig und wichtig befand? Warum begehrt einer nicht gegen die unheilvolle Renaissance des Freund-Feind-Denkens in der von ihm geführten Partei auf, der 1988 aus gutem Grund schrieb: „Eine Politik, die die Menschen nach ‘Freund und Feind gruppiert’, steht gegen das Politikmodell der demokratischen Linken, die immer auf Solidarität, auf das Miteinander setzt“? Warum lässt er zu, dass Andersdenkende ausgegrenzt und abgestraft werden?“1

Die Antwort scheint mir klar: Lafontaine handelt antiautoritär und basisdemokratisch. Er artikuliert lediglich die Positionen eines Teils der Basis und diese Leute sind autoritär im Handeln und zum Teil totalitär von ihrer Programmatik her, z.B. was die Forderung nach einer Räterepublik betrifft. Der Realist Lafontaine ist deswegen weg, weil der Teil der Basis, den er vertritt eben wenig Realitätssinn aufweist. Andre Brie nennt auch einige Positionen, die Lafontaine aufgegeben haben soll:

„In seinem Buch „Das Herz schlägt links“, nach dem Rücktritt vom SPD-Parteivorsitz verfasst, begründete er seine Absage an die Beteiligung der PDS 1998 auf Bundesebene inhaltlich: „Die PDS lehnte den Euro ab. Die Befürwortung der Wirtschafts- und Währungsunion oder des Euro war aber wesentlicher Bestandteil unserer Europapolitik. Die PDS hatte eine kritische Haltung zur Nato. Das Ja zur Nato war aber zentraler Bestandteil unserer Sicherheitspolitik. Die wirtschafts- und sozialpolitischen Forderungen der PDS waren schlicht und einfach nicht finanzierbar.“ Inzwischen hat Lafontaine diese Forderungen vollständig übernommen.“2

Ich gehe davon aus, dass Lafontaine selbst seine Positionen beibehalten hat, jedoch aufgrund seiner sozialdemokratischen Prinzipien nicht anders handeln kann, als den Willen der Basismitglieder zu artikulieren.

Außerdem besteht noch bei einer weiteren Position eine kognitive Dissonanz. Im Spiegel von 06.03.2006 steht im Artikel „Lafontaines Politikerschelte – Erst draufhauen, dann wegducken“ von Björn Hengst zu lesen:

„Mit verbalen Fehlgriffen hat Lafontaine schon öfter für Aufregung gesorgt. 1982 griff der Saarländer den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) mit den Worten an, Schmidt spreche „weiter von Pflichtgefühl, Berechenbarkeit, Machbarkeit, Standhaftigkeit. Das sind Sekundärtugenden. Ganz präzis gesagt: Damit kann man auch ein KZ betreiben“.“3

Ich denke auf der einen Seite hatte hier Helmut Schmidt durchaus das Recht, auf diese Tugenden hinzuweisen. Auf der anderen Seite, auf falsch verstandene Weise angewendet, kann man mit diesen Tugenden allein auch eine Erziehungsanstalt leiten.

Quellenverzeichnis

  1. André Brie: Der Lafontainismus, spiegel online vom 08.06.2008, online unter: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,629282,00.html
  2. Ebd.
  3. Björn Hengst: Lafontaines Politikerschelte – Erst draufhauen, dann wegducken, spiegel online vom 06.03.2006, online unter: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,404640,00.html

Franz Müntefering sollte sein OK für Rot-Grün geben

Noch 7 Tage bis zur Bundestagswahl. Noch ist nicht klar wie die Chancen stehen, auf Umfragen kann man nicht vertrauen. Bei der letzten Wahl hat man gesehen, dass sich kurz vor Schluss noch einiges drehen lässt, wenn man tatkräftig anpackt. In jedem Fall ist eine Mehrheit links von Schwarz-Gelb möglich und bereits jetzt im Bundestag vorhanden. Frank-Walter Steinmeier hat sich im TV-Duell als der bessere Kandidat platziert und mit Charme und Sachverstand die WählerInnen überzeugt.

Was sollte man aber als SPD-Vorsitzender tun, um seiner Partei zur Macht zu verhelfen, damit es den Menschen in Deutschland wieder besser gehen kann, damit es eine Politik gibt, die sich um die sozialen Belange der Schwächsten in der Gesellschaft kümmert? Diese Frage ist es vermutlich, die den Parteivorsitzenden Franz Müntefering seit Wochen umtreibt. Das ist keine leichte Situation, ohne Zweifel, aber es gibt Lösungen aus dem Dilemma.

Ich denke, der Parteivorsitzende hat neben der Fortführung der Großen Koalition und der Ampelkoalition mindestens noch zwei weitere Optionen. Zum Einen könnte er grünes Licht für ein Rot-Rot-Grünes Bündnis geben. Ich bin davon überzeugt, dass dies ein Fortschritt für unser Land wäre. Zum Anderen besteht immer noch die Möglichkeit eine Rot-Grüne Regierung zu bilden, indem man die Reformer der Linkspartei zu einer sozialistischen Einheitsfront bittet. Das wäre geradezu revolutionär, denn es hieße die Versöhnung und Wiedervereinigung der ArbeiterInnenbewegung unter dem Banner der SPD. Es hieße die Versöhnung zwischen Ost und West. Damit würde Franz Müntefering in positivsten Sinne in die Geschichte eingehen. Ich denke, dieser Schritt ist für ein Urgestein der Sozialdemokratie sicher nicht leicht, jedoch bin ich auch davon überzeugt, dass er keine Gefahr darstellen kann, sofern es vorher genaue Absprachen gibt.

Wenn Franz Müntefering bereit wäre diesen Schritt zu gehen, ist er fortan der größte Vorsitzende den die SPD je hatte. Ich persönlich würde ihm dafür ein Denkmal setzen und viele andere Menschen ganz sicher auch. Diese historische Chance sollte man als sozialdemokratischer Vorsitzender nicht verstreichen lassen.

Direkte Demokratie stärken!

Die parlamentarische Demokratie ist im Vergleich zu allen totalitären Staatsformen, ob Kommunismus, Faschismus oder Islamismus ein zivilisatorischer Fortschritt, der sich bewährt hat. Die Ausweitung der Demokratie hat zu mehr Frieden und Sicherheit und auch zu mehr Freiheit und Wohlstand geführt. Deshalb sollte der Prozess der Demokratisierung der Gesellschaft konsequent fortgeführt werden. Dazu braucht es mehr direkt-demokratische Elemente, die im deutschen Rechtssystem verankert werden müssen. Dies könnte dazu führen, dass sich mehr Menschen am Prozess der Ausgestaltung des Gemeinwesens beteiligen. Auf diese Weise wären einerseits mehr Menschen informiert über politische Entscheidungen und andererseits würde eine höhere Legitimität des Politischen Systems als solches, aber auch der einzelnen Entscheidungen erreicht werden.
Um dies zu erreichen gibt es verschiedene gangbare Vorschläge:

1.) Man sollte Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide auf Bundesebene einführen und dabei obligatorische Volksabstimmungen bei wichtigen Änderungen des Grundgesetzes vorsehen.

2.) Das Petitionsrecht sollte bürgernäher und transparenter gestaltet werden: Sitzungen des Petitionsausschusses müssten für Bürgerinnen und Bürger geöffnet werden. Die Bedeutung von Massen- und Sammelpetitionen muss gestärkt werden und das erforderliche Quorum für eine öffentliche Anhörung herabgesetzt.

3.) Auch Bürgerhaushalte sind eine neue direkte Art von Bürgerbeteiligung. Die Verwaltung einer Stadt, einer Gemeinde oder einer anderen Verwaltungseinheit bemüht sich dabei um mehr Haushaltstransparenz und lässt die Betroffenen zumindest über einen Teil vom Investitionshaushalt mitbestimmen und entscheiden. Ansätze hiervon gibt es bereits in einigen Berliner Bezirken. Nach diesem Vorbild sollte man in auch anderswo in Deutschland agieren.

4.) Auch Veränderungen im Wahlrecht selbst wären dringend von Nöten. Das Wahlalter sollte drastisch gesenkt werden, damit Kinder und Jugendliche nicht mehr von der Demokratie ausgeschlossen sind. So könnte man zum Beispiel Mehrmandatswahlkreise einführen und den WählerInnen die Möglichkeit einräumen auch die Listen der Parteien zu beeinflussen.

Es gibt sicherlich noch eine Reihe anderer Vorschläge, die grundgesetzkonform sind und ohne große Schwierigkeiten umzusetzen wären. Über diese und andere Punkte sollte die SPD eine offene Debatte führen.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel zu Gast im Wahllokal der Jusos Berlin

Abbildung: Bundesumweltminister Sigmar Gabriel und Bundestagskandidat Björn Böhning, Foto: Michael Frank

Abbildung: Bundesumweltminister Sigmar Gabriel und Bundestagskandidat Björn Böhning, Foto: Michael Frank

Heute war im Wahllokal der Jusos Berlin der Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) zu Gast und berichtete über die neuesten Informationen im Bereich der Energiepolitik, der Umweltpolitik, aber auch über allgemeine Fragen. Er setzte sich unter Anderem ein für einen schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomkraft und für den zügigen Ausbau erneuerbarer Energien. Außerdem berichtete er, dass die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Prof. Dr. Annette Schavan (CDU) seit mehreren Wochen eine brisante Studie zur Atomenergie unter Verschluss hält und damit die Öffentlichkeit gezielt über ihre Vorhaben im Unklaren lassen will. Das ist reine Wahltaktik und ein Täuschungsversuch der CDU gegenüber den Wählerinnen und Wählern.

Im Focus war zu lesen: „Ein von Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) bestelltes Konzept zur künftigen Energieforschung hat den Streit um die Atomkraft weiter angeheizt. Rund 100 Wissenschaftler halten unter bestimmten Bedingungen auch den Bau neuer Atommeiler in Deutschland für möglich. Zugleich empfehlen sie in dem durch Medien am Mittwoch bekanntgewordenen Papier die Suche nach einer Alternative zum geplanten Endlager im Salzstock Gorleben.“1 Die Süddeutsche Zeitung berichtet zu diesem Thema: „Der sozialdemokratische Umweltminister versucht seit langem Stimmung gegen die Atompolitik von Schwarz-Gelb zu machen. Durch die Schavan-Studie fühlt er sich bestätigt. Gabriel wittert einen „Geheimplan“ der Union: „Offensichtlich spielt die Atomkraft in den Planungen der Union insgeheim eine größere Rolle als bisher immer behauptet.“ Er fordert in Richtung Union: „Die Bundeskanzlerin muss Klarheit schaffen.““2 Also könnte diese zurückgehaltene Studie im Wahlkampf noch von einiger Bedeutung sein.

Nach der Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls sieht der Bundesumweltminister besonders in der Weltklimakonferenz in Kopenhagen eine entscheidende Möglichkeit, um zu Fortschritten in seinem Politikbereich zu gelangen. Bei der Weiterentwicklung des Klimaschutzabkommen von Kyoto strebt Gabriel eine europäische Führungsrolle an. Die Klimapolitik spielte dabei auf der politischen Agenda eine zentrale Rolle.

Im allgemeinen Teil der Diskussion betonte Sigmar Gabriel, dass er den zunehmenden Kampf um Listenplätze in der SPD als durchaus kritisch betrachtet. Der direkt gewählte Abgeordnete ist nach seiner Ansicht in stärkerer Position. Damit ermunterte er gerade auch den Friedrichshain-Kreuzberger Wahlkreiskandidaten der SPD Björn Böhning dazu, weiter auf die Erststimmen zu setzen. Gabriel kann sich diese Argumentation durchaus leisten, denn in seinem Wahlkreis Salzgitter-Wolfenbüttel wurde er 2005 mit 52,3% der Stimmen direkt in den Bundestag gewählt. Nicht wenige Jusos halten ihn deswegen durchaus geeignet für die Nachfolge von Frank-Walter Steinmeier im Amt des Kanzlerkandidaten.

Dennoch betonte Gabriel auf Nachfrage von anwesenden Journalisten, dass sein Ziel ist, im Amt des Bundesumweltministers zu bleiben, um weiter Akzente in seinem Politikfeld zu setzen. Alles in Allem war die Veranstaltung sehr gelungen, denn es gab eine offene Diskussion und es wurden sehr detailreiche Nachfragen durch den Minister sehr kompetent beantwortet.

Quellenverzeichnis

  1. Studie: Neue AKW und Endlager im Süden denkbar, focus online vom 16.09.2009, online unter: http://www.focus.de/politik/deutschland/forschung-studie-neue-akw-und-endlager-im-sueden-denkbar_aid_436267.html
  2. Oliver Das Gupta: Gabriel und Grüne wittern Atom-Geheimplan, süddeutsche vom 16.09.2009, online unter: http://www.sueddeutsche.de/politik/413/487815/text/

Hartz IV reformieren!

In diesem Artikel möchte ich abermals für eine Reform der Hartz IV-Gesetzgebung plädieren. Dabei möchte ich einige weitere Vorschläge in die Debatte einbringen.

Noch nicht erwähnt hatte ich die Praxis der Ein-Euro-Jobs. Diese Arbeitsmaßnahmen können sogar eine schädliche Wirkung auf den Arbeitsmarkt haben. Zwar ist von gemeinnütziger Tätigkeit die Rede, auf der anderen Seite kann dadurch auch reguläre Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt vernichtet werden. Sinnvoller wäre es, einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor einzurichten, der reguläre Beschäftigungsverhältnisse anbietet.

Wie bereits einmal erwähnt, sollte man Hartz IV in der Hinsicht reformieren, dass die Sanktionen und die Maßnahmen abgeschafft werden. Um Armut tatsächlich zu verhindern, müsste für betroffene Menschen die soziale Transferleistung unbürokratischer und zeitnaher ausgezahlt werden. Meines Erachtens wären erst dann die Bürgerrechte für die Betroffenen gewährleistet, denn erst wenn ein Mindestbedarf gedeckt ist, kann ein Betroffener selbstständig die Arbeitssuche beginnen.

Um den Mindestbedarf zu decken, sollte man auch darüber nachdenken, die Regelsätze zu erhöhen. Ich persönlich würde eine zunächst moderate Erhöhung anstreben und in weiteren Schritten jedes Jahr den Bedarf neu prüfen. Dies kann geschehen, indem man einen Warenkorb als Vergleichsinstrument nutzt. Bei den Wohnkosten könnte man auch unbürokratischer vorgehen. In Berlin wurden bereits Zwangsumzüge verhindert, die in anderen Städten und Bundesländern immer noch gängige Praxis sind. Neben der Sozialpolitik ist für eine Politik gegen Obdachlosigkeit außerdem eine staatliche Wohnungspolitik von Nöten. Für mich heißt das, dass der Staat in jeder Gemeinde oder Kommune Sozialwohnungen zur Verfügung freihalten sollte, die kurzfristig bezogen werden können. Nur dadurch kann man wirksam gegen Obdachlosigkeit agieren.

Auch könnte man die bisherige Praxis, die Sozialpolitik an Bedarfsgemeinschaften zu orientieren verändern. Das bedeutet, dass man vollständig auf das Individualprinzip bei den sozialen Transferleistungen umstellt. Ebenso könnte man die Vermögensfreigrenzen deutlich erhöhen, so dass ein Betroffener etwaige Rücklagen für Anschaffungen oder sonstigen Konsum behalten kann. Auch das Schonvermögen für die Altersvorsorge könnte man deutlich anheben. Ebenso ist der Regelsatz für Kinder deutlich zu niedrig und muss erhöht werden.

Das bisher für die Maßnahmen aufgewandte Geld könnte man den Betroffenen zum Beispiel für berufliche oder universitäre Qualifikationen frei zur Verfügung stellen. Außerdem müssen die Kriterien für die Zumutbarkeit von Arbeit neu justiert werden. Auch die unterschiedliche Behandlung von jungen Menschen muss aufgehoben werden.

Ich komme daher zu dem Schluss, dass es noch sehr viele Baustellen an den Hartz IV-Gesetze gibt, die dringend überarbeitet werden müssten. Das Gesetz benötigt schnellstens eine Reform. Ich habe hiermit einige Vorschläge unterbreitet, die ich auch kurzfristig für umsetzbar halte.